Erwin Geschonneck - eine kleine Biographie

Erwin Geschonneck - Scenenbild aus dem Film: Karbid und Sauerampfer (1963) Erwin Geschonneck, geboren am 27. Dezember 1906 im ostpreußischen Bartenstein, wuchs ab dem dritten Lebensjahr in Berlin auf, wo der Vater eine Stelle als Nachtwächter angenommen hatte.

Nach dem Ende seiner Schulausbildung hielt er sich ab 1920 zunächst als Bürobote eines Bankhauses und ab 1923 als Hilfsarbeiter und Hausdiener über Wasser. Er schloss sich der Arbeitersportbewegung Fichte an, wurde Leiter des Arbeiter-Athletenbundes Berlin-Kreuzberg und betrieb auf verschiedenen Wegen Fortbildung. 1929 wurde er in eine Parteigruppe der KPD aufgenommen. Zur Schauspielerei kam er über Umwege: So gehörte er dem Arbeiter-Chor Groß-Berlin sowie dem Bewegungschor von Liesel Freund an und trat mit der Agitprop-Gruppe "Sturmtrupp links" auf. Erste Erfolge in diesen Bereichen animierten ihn dazu, Sprachunterricht zu nehmen. Er spielte im "Roten Kabarett" Tucholskys "älteren, leicht besoffenen Herrn" und stand für eine modische Fotostrecke in der Zeitschrift Scherls Magazin Modell.

Als Filmschauspieler trat er erstmals 1932 in "Kuhle Wampe" von Slatan Dudow und Bertolt Brecht in Erscheinung: In einer Mini-Rolle war er darin als einer von 4000 Arbeitersportlern zu sehen. Bis zum eigentlichen Start seiner Filmkarriere sollte es jedoch noch rund 15 Jahre dauern. Unter dem Namen Erwin Gösch arbeitete er als Souffleur, Beleuchter und Darsteller bei einer Truppe junger jüdischer Schauspieler. Ende 1933 ging er mit seinen jüdischen Schauspiel-Kollegen nach Polen, wo er 1934 verhaftet und in die Tschechoslowakei abgeschoben wurde. Ende des selben Jahres reiste er nach Moskau, wo Gustav von Wangenheim mit emigrierten Schauspielern ein Deutsches Theater gründen wollte. Nachdem dieses schließlich von sowjetischen Behörden aufgelöst wurde, ging Geschonneck zum Deutschen Kollektivistentheater nach Odessa, wo er Vorsitzender der Gewerkschaftsleitung des Theaters wurde. 1938 verwies die Geheimpolizei ihn des Landes. Zurück in Prag schloss er sich der Freien Deutschen Spielgemeinschaft an und trat in zum Teil selbst inszenierten, antifaschistischen Agitprop-Shows und Theaterstücken auf.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht tauchte Geschonneck unter, wurde jedoch im März 1939 von der SS festgenommen. Ohne Anklage und ohne Prozess deportierte man ihn ins Konzentrationslager Sachsenhausen, verlegte ihn im März 1940 ins Vernichtungslager Dachau. Hier arbeitete er aktiv in der Widerstandsorganisation des Lagers mit und versuchte, durch kulturelle Aktivitäten die Moral der Mithäftlinge zu stärken. Ab Oktober 1944 war er im KZ Neuengamme bei Hamburg inhaftiert. Am 03. Mai 1945 gehörte er nach der Evakuierung des Lagers zu den 350 Überlebenden des Angriffs auf den ehemaligen Passagierdampfer "Cap Arcona": Nach einer Bombardierung durch britische Bomber sank das Schiff in der Lübecker Bucht mit 4.000 Häftlingen an Bord. 1981 verfilmte Lothar Bellag die Ereignisse in dem Fernsehspiel "Der Mann von der Cap Arcona", in dem Geschonneck die Hauptrolle spielte.

Zurück in Freiheit wurde Geschonneck an die Hamburger Kammerspiele engagiert, wo er in zahlreichen hochkarätigen Inszenierungen unter anderem unter der Regie von Helmut Käutner auf der Bühne stand. 1946 besetzte ihn Käutner in einer Nebenrolle seines ersten Nachkriegsfilms "In jenen Tagen" – der Beginn einer fast 50 Jahre währenden Karriere vor der Kamera. Zunächst spielte er neben seinen zahlreichen Theatertätigkeiten (bis 1960 stand Geschonneck in bedeutenden Rollen unter anderem am Berliner Ensemble sowie dem Theater am Schiffbauerdamm auf der Bühne) im Film nur Nebenrollen, etwa den "Emil" in Hans Müllers Kriminalfilm Hafenmelodie (1949) oder einen Kriminalbeamten in Wolfgang Liebeneiners "Liebe 47" (1949).

Ab 1949 übernahm Geschonneck zahlreiche Rollen bei der DEFA, angefangen mit dem Motes in Erich Engels Hauptmann-Verfilmung "Der Biberpelz". Er bekam einen Vertrag, der ihm pro Jahr zwei Hauptrollen garantierte – die Erste war der kleinbürgerliche Schlachter und Aushilfshenker Teetjen in Falk Harnacks "Das Beil von Wandsbek" (1951). Nach nur zwei Monaten wurde die umstritten diskutierte Adaption eines antifaschistischen Zweig-Stücks wieder aus dem Vertrieb genommen. Nachdem sie Jahre in gekürzter Fassung in den Kinos war, wurde sie zu Geschonnecks 75. Geburtstag in der ursprünglichen Fassung wiederaufgeführt.

Im Lauf der Jahre avancierte Geschonneck zum bedeutendsten DDR-Filmschauspieler seiner Generation – als einer von wenigen erlangte er auch internationales Renommee. Sein Rollenspektrum war bemerkenswert breit gefächert, reichte von komödiantischen Rollen über die Verkörperung proletarischer Charaktere und antifaschistischer Kämpfer. Er war der Holländer-Michel in Paul Verhoevens "Das kalte Herz" (1950), der gewitzte Proletarier Kalle in "Karbid und Sauerampfer" (1963), ein Heiratsschwindler in "Ein Lord am Alexanderplatz" (1967), ein KZ-Häftling in "Nackt unter Wölfen" (1962) und (in einer Doppelrolle) ein skurriler Rentner in "Asta, mein Engelchen" (1980). Als ein Höhepunkt seiner Laufbahn gilt seine Verkörperung des Gettofriseurs Kowalski in Frank Beyers Oscar-nominiertem Klassiker "Jakob der Lügner" (1974) – ein Part, bei dem er die verschiedenen Facetten seines Könnens, vom Komischen bis zum Tragischen, miteinander verbinden konnte.

Erwin Geschonneck engagierte sich in der DDR aktiv in Gewerkschaft, Partei und gesellschaftlichen Gruppen; ab 1969 war er Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR und gehörte ab 1967 zum Präsidium des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR.

Nach der Wende 1989 zog Erwin Geschonneck sich fast völlig von der Schauspielerei zurück. 1995 kehrte er noch einmal vor die Kameras zurück: In dem TV-Film "Matulla & Busch" stellte er als westdeutscher Seniorenheimbewohner, der unverhofft ein Haus im Osten Berlins erbt, noch einmal die ganze Palette seines komödiantischen Könnens unter Beweis. Im gleichen Jahr sah man ihn als Zeitzeugen in dem Dokumentarfilm "Der Fall Cap Arcona".

1993 erhielt er beim Deutschen Filmpreis einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk; 2004 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie.

Am 12. März 2008 starb Erwin Geschonneck im Alter von 101 Jahren in Berlin.


Filmografie

Quellen:
Bilder: Archivmaterial;

Text: www.filmportal.de/person/erwin-geschonneck_...;
Filmografie: https://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Geschonneck