Ein Teil des Merowinger Schatzes aus Preußen,
der im Moskauer Puschkin-Museum gelagert wird.

Beutekunst – die offene Wunde
Gemeinsame Ausstellungseröffnung in St. Petersburg durch Merkel und Putin abgesagt.
Von Ulf Mauder

Eine Schau in St. Petersburg zeigt hochkarätige Stücke, die einst in deutschem Besitz waren. Seit Kriegsende lagern sie in russischen Museen.

St. Petersburg. Es ist schon eine handfeste Sensation, dass erstmals Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kremlchef Wladimir Putin gemeinsam eine Schau mit deutscher Beutekunst in Russland eröffnen.

Dass beide Seiten vorher kaum Aufhebens darum machen, hat wohl mit dem heiklen Inhalt der Ausstellung zu tun. Denn 600 von den 1700 Exponaten der Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“, die heute in der weltberühmten Eremitage in St. Petersburg eröffnet wird, gehören zur Beutekunst.

Deutschland will sie wiederhaben, Russland aber nicht hergeben . Deshalb gilt der heutige Museumsrundgang von Merkel und Putin vorbei an den Raritäten als einmalig. Das Ereignis zeigt aber auch auf eine offene Wunde im deutsch-russischen Verhältnis, weil Deutschland seine Forderungen enttäuscht sieht.

Die Nachbildung einer Brosche des legendären Goldschatzes von Eberswalde –
das Original befindet sich in Russland.

Der Goldschatz von Eberswalde wurde 1945 nach Russland gebracht

Zum ersten Mal wieder zu sehen in einer Ausstellung ist der Goldschatz von Eberswalde, der sonst im Moskauer Puschkin-Museum lagert und als größter deutscher Goldfund aus der Bronzezeit gilt. Der 2,6 Kilogramm schwere Fund aus purem Gold besteht aus 81 Teilen; darunter acht reich verzierte Trinkschalen sowie Hals- und Armbänder und Spiralringe. Er wurde 1945 zusammen mit den Troja-Funden von Heinrich Schliemann nach Russland gebracht und galt lange als verschollen.

Nach deutscher Auffassung ist der Eigentümer die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). SPK-Präsident Hermann Parzinger lobte das Petersburger Projekt nach der Merowinger-Ausstellung von 2007 als neues Beispiel dafür, wie auf Museumsebene ein schwieriges Kapitel deutsch-russischer Geschichte behandelt werde. „Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, die an Offenheit und Intensität gewonnen hat“, sagte Parzinger.

„Beutekunst“ ist nicht nur eine Erscheinung der Neuzeit. Seit der Antike bedienten sich siegreiche Armeen an den Kunstschätzen umkämpfter Gebiete. Das größte Ausmaß erreichte der Kunstraub während des II. Weltkriegs. Deutsche und sowjetische Einheiten stahlen Hunderttausende Kulturgüter. Hinzu kamen Millionen Bücher und riesige Mengen Archivgut.

Zugleich machte er deutlich, dass Deutschland mit Blick auf internationales Recht weiter auf der Rückgabe der Schätze bestehe. „Wir müssen im Auge behalten, was Deutsche in der Sowjetunion angerichtet haben. Man kann aber nicht ein Unrecht durch ein anderes ungeschehen machen“, so Parzinger.

Die Schau in St. Petersburg wird nicht in Deutschland zu sehen sein

Russland dagegen hat per Gesetz die Beutekunst in Russland als Teil der Wiedergutmachung für die Kriegsverluste legalisiert. Russland beklagt aber auch, dass es im Beutekunststreit bisher vorwiegend um deutsche Interessen gegangen sei.

Dass sich Deutschland weiter als Eigentümer eines Großteils der Schätze sieht, ist auch der Grund, weshalb die Ausstellung dort nicht zu sehen sein wird. Russland befürchtet, dass die Deutschen die Glanzstücke einfach behalten könnten.

Die Glasscheibe der Frankfurter Marienkirche
wurde 2007 von Russland an Deutschland zurückgegeben.

Die Bundesregierung setzt sich seit Jahrzehnten für eine Rückgabe der Beutekunst ein. Deutschland beruft sich bei seinen Ansprüchen auf das Völkerrecht. Demnach dürfen Kunstschätze nicht als Teil der Wiedergutmachung für Kriegsschäden herhalten. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht davon aus, dass unter den eine Million Objekten in russischen Museen etwa 200.000 einen hohen musealen Wert haben.
 

Quelle:
Westdeutsche Zeitung, newsline, 20./21.06.2013,
www.wz-newsline.de/home/kultur/beutekunst-die-offene-wunde-1.1349977