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Die Lage der Bauern

 


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Hermann Sudermann


Gedenkschrift - 70 Jahre LO-NRW

70 Jahre LO Landesgr. NRW
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Die Lage der Bauern

Der Orden hatte am Gegenbeispiel Palästina gelernt, daß einem gesunden Bauernstand außerordentliche Wichtigkeit beizumessen sei und richtete deshalb bald sein Augenmerk auf die bäuerliche Kolonisation. Die erste „grundherrliche“ Besiedlungsperiode entsprang ganz bewußt der Politik des Ordens, wobei die Kolonisation der westlichen Teile etwa im 14. Jh. ablief und sich in der „Wildnis“ bis zum 15. Jh. hinzog. Einem (zunächst) deutschen „Locator“, aber auch einem preußischen Freien, das waren Prußen, die sich an den Aufständen nicht beteiligt hatten, wurde ein sehr großes Areal zu Lehen gegeben, das sie jedoch allein wegen seiner Größe nicht selbst bewirtschaften und kultivieren konnten. Also hatten sie ein gesteigertes wirtschaftliches Inrteresse daran, Bauern zu finden, denen sie es als Unterlehen weitergeben konnten. Diese wiederum, aber auch der Oberlehnsherr, konnten das Land weiter zergliedern, bis es gut zu bewirtschaften war. Die Größe eines landwirtschaftlichen Gutes wurde in „Hufen“ gemessen, anderswo auch „Hube“, „Hof“ oder „Hake“ genannt, die etwa 17 Hektar zu vier Morgen betrug (in Ostpreußen zählte ein Hektar dagegen nur zwei Morgen). Die Hauptabgabe war der Hufenzins. Ein Zinsdorf betrug etwa 50 bis 60 Hufen. Wer nicht erfolgreich war, konnte aus dem Lehen entlassen werden. Der Locator war zugleich der Schulz und hatte damit nicht nur die Verwaltung und Eintreibung der Steuern, auch die Gerichtsbarkeit auszuüben. An Wegkreuzungen wurden gezielt „Krüge“ errichtet, das waren einfachste Gastwirtschaften (mit oft nicht mehr als sechs Trinkgefäßen) oder Herbergen, die ebenfalls mit Deutschen besetzt wurden, die die Aufgabe hatten, der deutschen Sprache und Kultur als Multiplikator zu dienen, da an diesen Treffpunkten auch die Einheimischen einkehrten. Deutsche Adlige lehnten es meist ab, Dörfer zu gründen, da sie keine freien Bauernschaften dulden wollten und umgekehrt zogen die Kolonisten es vor, sich unter die Oberhoheit des Landesherrn (Domänegüter) zu begeben. Ebenso erhielten meist nur Deutsche die Jagd- und Fischereigerechtigkeit als auch die Bewirtschaftung der Schmieden und der Mühlen, die gleichzeitig der Kontrolle der Erntemenge und damit der steuerlichen Festsetzungen dienten. Diese Wirtschaftsbetriebe konnten nach 1750 auch durch Einkaufsgeld in Erbpacht ausgetan werden. Ab 1850 ermöglichte man den Erbpächtern durch Kapitalabfindung oder Rentenzahlung das volle Eigentum zu erwerben, sie wurden so zu „Erbzinsern“. Im 14. Jh. geschah die Verleihung meist nach Magdeburger Recht, weil in Todesfällen das Gut zunächst nicht an die Erben fiel, sondern häufigere Verleihungsmöglichkeiten bot. Später war die Vererbung an männliche Nachkommen, nach 1487 auch an weibliche möglich. Sonst gab es keine Unterschiede zum preußischen Recht, das kein Erbrecht kannte. Wer von den Prußen nach günstigerem Recht eingestuft worden oder sonst erfolgreich aufgestiegen und möglicherweise Schulze geworden war, versuchte recht bald, seinen Namen zu ändern. Oft wurde der Name einfach ins Deutsche übersetzt oder lautsprachlich angepaßt, so daß es äußerst schwierig war, die ethnische Zuordnung unserer Vorfahren vorzunehmen. Hinter jedem deutschen Namen kann sich auch ein Pruße verbergen (Neumann oder Werner).

Die Prußen waren durch Aufstände, Kriegsfahrten und Seuchen derart dezimiert, daß in ganz Ostpreußen ein Arbeitskräftemangel herrschte. So wurden neben dem Gesinde, das sich aus Kindern deutscher und prußischer Bauern zusammensetzte, auch Gärtner und freie Landarbeiter eingestellt (gegen Lohn). Gärtner waren meist nach kulmischem Recht („Kölmer“) beliehen, jedoch nur mit einer kleinen landwirtschaftlichen Stelle, die eine Familie oft nicht ernähren konnte. Die Gärtner wurden in manchen Gegenden auch als „Eigenkätner“ bezeichnet. Die Kölmer waren zum Reiterdienst bei der Landesverteidigung verpflichtet und hatten deswegen große Freiheiten: so leisteten sie nur geringe Abgaben an Wachs, Geld und Pfluggetreide, konnten an Söhne und Töchter vererben und sogar mit Vorwissen des Ordens Land verkaufen. Weiter waren sie von allem Scharwerk befreit und bekamen Privilegien der Brauerei, der Fischerei sowie der mittleren und minderen Jagd. Die Zahl der prußischen Landarbeiter war jedoch so gering, daß etwa um 1500 auch deutsche Bauern zum Scharwerksdienst herangezogen wurden und somit in die Hörigkeit gerieten. Daneben blieben die Zinszahlungen: für Deutsche in Geld, für Prußen in Naturalien. Hochzinser waren solche Bauern, die sich durch zusätzliche Geldleistungen vom Scharwerk befreien konnten und nur mit einigen Bediensten und Fuhren belastet wurden.

Solange der Orden die Zügel in der Hand behielt, waren die Hintersassen vor gar zu großer Ausnutzung und Überlastung mit Diensten sicher. Es ging ihnen besser als den unter polnischer Herrschaft stehenden Litauern und den nach Litauen geflohenen Prußen. „Scharen mißhandelter Leibeigener fliehen aus Litauen hinüber in das mildere Recht des Ordens.“ Nach der Schlacht von Tannenberg (1410), in der der Orden durch Polen-Litauen besiegt wurde, änderte er zwangsläufig seine bauernfreundliche Politik, weil er fast pleite war und seine Söldner mit Land statt mit Geld bezahlen mußte. Eine Unzahl von Söldnern und deutschen Adligen erhielten Großgrundbesitz und damit die Herrschaft über die Bauernschaften. Der Zuzug deutscher Siedler ließ nach, denn die Mißwirtschaft und Willkürherrschaft dieser Leute sprach sich schnell herum. Viele Bauern zog es in die Städte, denn „Stadtluft macht frei!“ Dies war folgenreich, denn es bedeutete vermehrte Scharwerksdienste der verbliebenen bäuerlichen Hintersassen, die Gutsherren konnten wegen des geschwächten Ordens eigene Arbeitsverfassungen einführen und der Adel nutzte die Lage aus, indem er deutsche Bauern gutsuntertan machte, zunächst nur dinglich, später erbuntertänig. Die Entweichungen der Bauern in Städte oder Nachbargüter mit weniger Scharwerksdiensten häuften sich so sehr, daß jetzt die Gutsherren von abwandernden Kolonisten die Stellung eines Sohnes oder sonstigen Ersatzmannes forderten. Die Dienste der prußischen Hintersassen und ihrer Kinder als Gesinde standen selbstverständlich dem Gutsherrn zu, während die Kinder deutscher Bauern die volle Verdingungsfreiheit hatten und frei entscheiden konnten, zu wem sie in Stellung gingen. Das Gesinde war sich seiner Unentbehrlichkeit durchaus bewußt und hat auch später seine Stellung dem Adel gegenüber stets zu wahren gewußt.

Im Jahre 1525 zettelten prußische Freie einen Bauernaufstand an, der schnell auf deutsche Bauern überschwappte (Statistiken des 16. Jh. weisen aus, daß die Bevölkerung noch zu 80% aus Prußen bestand). Unter dem Orden war der Adelsstand der prußischen Ritter und Knappen wenigstens anerkannt worden, jetzt waren auch sie hörige Bauern geworden und konnten dies mit ihrem Selbstverständnis durchaus nicht in Einklang bringen. Der Aufstand wurde nierdergeschlagen und hatte weitere Verschlechterungen zur Folge: es gab kein Vererben des Hofes mehr, der Gutsherr konnte bei schlechter Wirtschaft beliebig neue Bauern einsetzen, neue Scharwerksdienste wurden eingeführt, auch Frauen wurden jetzt schollenpflichtig und es gab Gesindezwangsdienste. Im Jahre 1640 war der Unterschied zwischen deutschen und prußischen Bauern verwischt, und es wirkte sich jetzt besonders schlimm aus, daß der Gutsherr gleichzeitig Arbeitgeber (=Lohngeber), Lehnsherr (=Abgabeneinnehmer) und Richter war. Gärtnern erging es ebenso schlecht wie den Bauern; selbst „Kaufgärtner“, die ihr Land gekauft hatten, durften es nicht mehr vererben. Lohngärtner hatten dagegen mehr Freizügigkeit und handelten meist Verträge über drei Jahre aus. Sie bekamen Geld und konnten nicht einfach zu Scharwerksdiensten herangezogen werden wie Gärtner und Bauern. Daneben gab es noch die „Inste“ oder „Einwohner/ Einlieger“, die ebenfalls Freizügigkeit hatten, deren Arbeitsverhältnis mehr auf Saisonarbeits- und Tagelohnbasis bestand. Die eigene landwirtschaftliche Arbeit mußte bis zum Feierarbeit warten, denn die Scharwerksdienste für den Gutsherrn hatten immer Vorrang, selbst wenn die eigene Ernte zu verderben drohte. Diese Dienste waren so zahlreich, daß sie aufgeführt lohnen:

  1. Pflügen und Eggen

  2. Ausmisten, Mistfahren, Miststreuen

  3. alle Erntearbeiten

  4. Waschen und Scheren der Schafe

  5. Schafhortenfuhren

  6. Brot- und Malzgetreidefuhren zur Mühle

  7. Zwei Getreidefuhren nach Königsberg zu üblicher Bezahlung

  8. Jährlich ½ Fischfuhre

  9. Wollfuhren

  10. Fahren von Bier und Branntwein aus der Brennerei in die Krüge

  11. Deputatholzfuhren gegen übliche Bezahlung

  12. Deputatholzfuhren für Kirchen- und Schulbediente

  13. Salzfuhren, wenn angefordert

  14. Vorspann-, Kriegs- und Marschfuhren

  15. Fouragelieferungen gegen Vergütung des gelieferten Getreides zu üblichen Preisen

  16. Burgdienste bei Amts- und Vorwerksgebäuden

  17. Alle Mühlendienste

  18. Alle Forst- und Jagddienste

  19. Dienste zur Verbesserung der Ströme und Dämme

  20. Hand- und Spanndienste bei Kirchen- und Schulbauten

  21. Reparatur der Vorwerkszäune

  22. Reparaturen an Vorwerksinsthäusern

  23. Holen und Wegbringen der Justizbeamten

  24. Fortbringen der herrschaftlichen Briefe

  25. Botengänge nach Willkür der Herrschaft

  26. Beiträge für Festungsbauten, sowohl an Menschen als auch an Geld

  27. Leistung aller Dorfverbindlichkeiten

  28. Besserung der Wege und Brücken

  29. Weidenpflanzungen in Dörfern und an Straßen

Wohlgemerkt: die Dienste waren, nur wenn gesondert vermerkt, ohne jede Bezahlung zu leisten. Das hatte zur Folge, daß der Verantwortungswille gelähmt wurde. Die Bauern kümmerten sich weder um den Verfall ihrer Häuser noch den des Inventars. Sollte es doch die Herrschaft im eigenen Interesse wieder aufbauen! Selbst das Vieh wurde schlecht versorgt und behandelt, gehörte es doch dem Gutsherrn. Auch die Einführung neuer landwirtschaftlicher Techniken wurde abgelehnt, zumindest aber mißtrauisch in Angriff genommen, da die ständige Bevormundung die Bauern gelehrt hatte, in jeder Neuerung nur Böses zu vermuten. Im 18. Jh. werden sie als „träge, dumm, gedankenlos, grob, trunksüchtig, mißtrauisch, boshaft, rückständig, trotzig, diebisch und heimtückisch“ bezeichnet. Deshalb gingen die Gutsherren nun davon aus, daß der Bauer am besten in Druck und Elend seine Pflicht erfülle. Mißhandlungen nahmen zu: für geringfügige Vergehen gab es bis zu dreißig Peitschenhiebe mit der mehrschwänzigen Karbatsche, für schwere Vergehen sechs bis zehn Rutenschläge. Die Ruten wurden zuvor in Salzwasser getaucht, damit sie auf den entblößten Körperteilen nachhaltige Schmerzen verursachten. Dabei sollten es pro Rute nicht mehr als drei Schläge sein, oft wurde aber solange gepeitscht, bis die Rute zerbarst. Zwar konnte ein Leibeigener dagegen klagen, doch der Richter war sein eigener Gutsherr, der sein Gaudium daran hatte, wenn die Klage in unbeholfener deutscher Sprache vorgebracht wurde. So trat das ein, was die Nachbarn spottend prophezeit hatten: „Er geht sich Ruten holen!“ „Die große Masse der Landbevölkerung, und das waren in Ostpreußen die Prussen, gehörte zu den leibeigenen Bauern, Kossäten, Gärtnern, Hofgängern, Landarbeitern, zum Gesinde, oder wie man sie sonst betitelte. Leibeigene mußten Abgaben und Frondienste leisten, durften ihren Aufenthaltsort nicht wechseln, konnten verkauft und mißhandelt werden, waren der Willkür ihrer Herren ausgeliefert. Während untertänige Bauern nur zusammen mit ihren Grundstücken veräußert werden durften, konnten die Leibeigenen wie ein Stück Vieh beliebig verkauft werden.“ Auch Kinder wurden von ihren Eltern getrennt und als Gesinde verkauft. Von den Einheimischen wird berichtet, daß sie sich dahin gehend geäußert haben, sie wollten nicht in den Himmel kommen, wenn da auch nur ein einziger Deutscher wäre. Ein Steuerinspektor im Amt Heydekrug notiert im Jahr 1736: „Dieses aber muß hiebey benennen, daß viele unter schlechte Wirths gesetzet seyen; Ich glaube aber, wenn der Zinß leydlich, und sie nur Brodt dabey hätten, sie auch mehr Lust und Begierde zu wirtschafften haben solten, den bey diesem unerleydlichen Zinß, bald laufft einer weg, der andere komt wieder auffs Erbe, und das veruhrsacht der schwere Zinß, daß sie bald verarmen, und davon gehen müßen.“

König Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) entdeckte, daß der ostpreußische Adel infolge der Finanzpolitik des Ordens zwar nie von der Besteuerung ausgenommen worden war, daß er sich aber nach Niedergang des Ordens mehr oder weniger selbst aus der Pflicht entlassen hatte. Die Domänenverwaltungen hatten diese Mißstände zusätzlich verschleiert oder Verbesserungen für die Bauern mit der Begründung hintertrieben, das ostpreußische Klima sei ungünstig. Auch wenn der Adel beschwichtigt werden mußte, kümmerte sich der König doch ernsthaft um die Verbesserung des Loses der Bauern, jedoch gelang ihm dies fast ausschließlich auf seinen Domänegütern. Er verringerte die Belastungen, verbot Züchtigungen und setzte die Pflichtdienste auf nur (!) drei bis vier Tage pro Woche fest. Der Adel folgte, wenn überhaupt, nur sehr schleppend. Schließlich machte sich der Soldatenkönig die Salzburger auf ewig dankbar, denen er als Glaubenflüchtlingen (1732) zu einer neuen gesicherten Existenz verhalf. Man mag über diesen absoluten Herrscher denken, was man will, jedoch muß man ihm zugute halten, daß einer der Gründe, weshalb seine Herrschaft nie in Tyrannei abglitt, in der tiefen Überzeugung wurzelte, daß er eines Tages seinem Schöpfer für all sein Tun würde Rechenschaft ablegen müssen. Die Salzburger wurden vorwiegend in Nadrauen im Gebiet der Quellflüsse des Pregels angesiedelt. Am 13.07.1732 verfügte der König: „Die schlechten Wirte in Litauen müßt ihr von den Höfen setzen und an deren Stelle Salzburger etablieren. Es sollten die Abgesetzten aber zu Gärtner und Hausleuten in den Dörfern emploiert oder auch denen vom Adel, so welche verlangen, überlassen, danebst wohl verhütet werden, daß sie nicht weg- oder außer Landes laufen.“ Also für die Einheimischen ein schlechtes Geschäft. Am selben Tag verfügte der König für die Salzburger, indem er die alte Kleiderordnung bestätigte: „Ansonsten sollt ihr wohl verhüten, daß diese Leute sich nicht auf litauisch kleiden noch in Pareisgen gehen oder dergleichen schädliche Tracht annehmen, sondern es müssen selbige sich auf gute deutsche Art kleiden und dabei erhalten bleiben.“ Die Salzburger erhielten weitere Privilegien, aber man muß ihnen zugute halten, daß sie selbst sich nicht von ihrer Umwelt abkapselten, möglicherweise aus Religionsgründen oder weil sie aus ihren schlechten Erfahrungen in der Heimat gelernt hatten. Sie hatten keine Rassenvorurteile und ließen ihre Kinder Einheimische heiraten. Friedrich II. (der Große) prägte sich deshalb positiv in die Erinnerung der Landleute ein, weil er nicht nur die Sümpfe kultivieren und Kanäle bauen ließ und so etliche Arbeitsplätze und neues Land schuf, sondern weil er auch die Verpflichtung zum Gesindedienst untersagte und die Erbfolge wieder einsetzte.

Zudem führte er die allgemeine Schulpflicht ein. In seinem Testament hob er hervor, daß er die Fronleistungen herabzusetzen versuchte, weil die Bauern einen großen Anteil der Steuern einbrachten und auch die meisten Rekruten lieferten. Aber: „Der Adel blieb nach wie vor von den meisten Lasten befreit, und einseitig wurden die Bauern belastet. Denn neben den Frondiensten waren es Kontribution und Vorspann, Spinngeld und Fleischzehnt, Schafzins und Metzkorngeld sowie andere Leistungen, die den Untertanen vom Staat und dem Gutsherren auferlegt wurden, so daß einer großen Zahl nur ein Minimum des Ertrages für die Erhaltung der Familie und die Reproduktion der Wirtschaft verblieb.“ Unter seinem Neffen Friedrich Wilhelm II. (der dicke Wilhelm) wurde 1794 die Leibeigenschaft aufgehoben, obwohl es im Allgemeinen Landrecht immer noch hieß: „Faules, unordentliches und widerspenstiges Gesinde kann die Herrschaft durch mäßige Züchtigung zu seiner Pflicht anhalten; auch dieses Recht den Pächtern und Wirtschaftsbeamten übertragen.“

Die Gutsherren gingen nun daran, die Bauern durch kostengünstigere Lohngärtner zu ersetzen, jedoch wurden nach 1807, nach den napoleonischen Kriegen, die Verwüstungen so stark, daß den Bauern bessere Bedingungen geboten wurden. In einem Edikt von 1810 wurde die Befreiung der Domänebauern veranlaßt, die der Privatbauern folgte später, jegliche Gutsuntertänigkeit und Leibeigenschaft wurde für beendet erklärt. „Was die Bauern betrifft, so ist ein neuer Geist in sie gefahren: ihre Lust und Tätigkeit übertreffen allen Glauben; sie fahren Tausende von Steinfuhren vom Acker, um einen viertel magdeburgischen Morgen Land zu gewinnen; sie roden Stechpfriemen, Heidekraut und Stubben aus, wo sie Jahrhunderte standen.“ Trotzdem mußten sie weiter die Befehle ihrer Herrschaft und deren Verweise mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen. Die Dienste und Abgaben der Bauern und Kossäten wurden aber durch diese Milderungen nicht berührt, so daß es zu Aufständen kam, weil sich viele Bauern mehr davon erwartet hatten und zur Selbsthilfe griffen. Freiherr vom Stein hatte vorher erfolglos auf diese mißlichen Unterschiede aufmerksam gemacht. Nach diesen Aufständen sah sich Staatskanzler Hardenberg in einem neuen Edikt veranlaßt, den Adel wieder zu stärken. Die Erbbauern mußten ein Drittel, die Bauern mit begrenztem Recht die Hälfte an den Gutsherrn abgeben oder sich loskaufen, wenn sie auf ihrem Land Eigentümer bleiben wollten. Die meisten Prußen hatten keinen Landbesitz, für sie änderte sich kaum etwas, insgesamt war die Lage der Insten aber nicht ungünstig, denn sie erhielten wenigstens niedrigen Lohn. Jedoch schwand das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Schichten divergierten und eine Schicht der Landarbeiter (Losmänner) entwickelte sich. Die körperliche Züchtigung blieb faktisch bis 1918 erhalten. Im Winter 1846/47 schreibt der altprußische Adlige Ernst von Saucken-Tarputschen an die Staatskanzlei in Berlin: „Die Not ist nur in den Dörfern, vorzugsweise in den königlichen, und dennoch hat die Verwaltung noch gar nichts getan und scheint auch nichts tun zu wollen. Die Hände in den Schoß, in Lust und Behaglichkeit gelegt, läßt man Menschen – Mitchristen – Untertanen des gepriesenen preußischen Staates des jammervollen Hungertodes sterben. Kirchen werden gebaut, neue Prediger werden angestellt, aber Christi Gebot: `Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst!´ nicht befolgt.“ Auf Drängen von Sauckens wurde ein Notstandsausschuß gebildet, der die Ursachen für die gerade in Ostpreußen so häufigen Notstände untersuchen sollte. Allerdings hatten ab Mitte des 18. Jh. die Bauern und die Prußen das Recht, in den Städten heimisch zu werden, zunächst nur als Gesinde und als neues Proletariat. Handwerker zu werden kostete Lehrgeld und war aus diesem Grunde nur selten möglich. Wer gar Meister werden wollte, mußte ein gewisses Vermögen nachweisen. Aus dieser neuen Freiheit erwuchs eine schier unbändige Wanderlust der jungen Leute, ihre Eltern konnten sie nicht mehr halten. Ebenso setzte die Abwanderung als Industriearbeiter ein. Tausende suchten Arbeitsmöglichkeiten in den westdeutschen Industriegebieten oder in Übersee, während die Mädchen sich als Dienstmägde in die großen Städte verdingten. In Berlin waren die ostpreußischen „Marjellen“ als fügsame Arbeitskräfte begehrt. Auch wenn es seit 1909 Landarbeitergewerkschaften gab, änderte sich für die Landbevölkerung bis in die Weimarer Republik wenig: „Hier waren die Ärmsten der Armen zu Hause, deren Arbeitszeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang ging und trotzdem nur das besaßen, was sie auf dem Leibe trugen. Viele Knechte schliefen in Bretterverschlägen neben dem Pferdestall und waren froh, daß sie es dort in der Nähe der Tiere noch einigermaßen warm hatten, während manche Mägde in oft ungeheizten Dachkammern fast erfroren. Die Kleinbauern fühlten sich zwar noch als etwas Besseres, da sie eigenes Land und einen Hof besaßen, doch ihre Arbeitszeit ging auch von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, oft genug wurde keine Sonntagsruhe eingehalten. Allen gemeinsam war jedoch eine auffallend große Lethargie- eine Ergebenheit in ihr Schicksal.“

 

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