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 Steinbach: Gut, dass Vater bei der Luftwaffe war! 
 "Der 
Aggressor war Hitler und nicht Frauen und Kinder und Gott sei Dank, dass mein 
Vater bei der Luftwaffe war, so kommt es zumindest nicht allen in den Sinn, dass 
er Aufseher in einem Konzentrationslager gewesen sein könnte" - sagte die 
Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) Erika Steinbach (CDU) in einem 
aktuellen Interview mit Polens Tageszeitung Nummer 1 "Gazeta Wyborcza". 
Die 
Vertriebenchefin sprach vom Unrecht der Vertreibungen und dessen begleitenden 
Grausamkeiten durch Polen, Tschechen und andere unter dem Schutzschild der 
Alliierten insgesamt, liess aber auch keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es 
Hitler war, der die Büchse der Pandora geöffnete hatte und damit den Alliierten 
die Möglichkeit bot die Kriegsfolgen unter sich auszumachen.
 Steinbach rechtfertigt ihre Arbeit
 
 "Hitler öffnete die Büchse der Pandora der unmenschlichen Grausamkeit. Dennoch, 
vertrete ich Menschen, meist Nachkommen von Frauen und Kindern, welche erst zum 
Ende oder nach dem Krieg Opfer von Mächten wurden, die sich nicht daran machten 
die Täter zu vertreiben, sondern die Unschuldigen dieser schlimmen Zeit der 
Geschichte. Einen großen Teil der Verantwortung für diese unmenschlichen 
Vertreibungen tragen hierbei auch die Alliierten. Wie schon ein großer Pole 
Namens Jan Jozef Lipski zu Recht erkannte, kann ein Verbrechen nicht ein anderes 
rechtfertigen. Es gab und gibt keine offenen Fragen im internationalen Recht um 
eine Kollektivschuld" - rechtfertigte Frau Steinbach ihren Einsatz um das Leid 
und Schicksal von fast 15 Millionen Vertriebenen, wovon über 2 Millionen während 
der Vertreibungen getötet wurden oder als vermisst gelten.
 
 Auch unschuldige Deutsche Opfer der Nazis
 
 Steinbach: "Deutsche wurden gegen Ende des zweiten Weltkrieges und danach 
hauptsächlich aus ihrer Heimat in Schlesien, Pommern, Danzig, Ostpreußen und dem 
Sudetenland vertrieben. Ähnliche Schicksale trafen deutschstämmige Siedler aus 
der Sowjetunion, Rumänien und anderen Ländern. Die Vertreibung der Deutschen war 
eine der Folgen des Nationalsozialismus, dessen Opfer auch Millionen 
unschuldiger deutscher Frauen und Kinder geworden waren. Während der 
Vertreibung, das heißt bis zum Jahr 1948, war Hitler und sein Regime nicht mehr 
vorhanden. Die Verantwortung, auch über unschuldige Deutsche, lag in den Händen 
anderer. Die deutschen Vertriebenen wurden Opfer verschiedener Regelungen und 
der Kriegsverbündeten. Diese händelten das "Problem" mit den Deutschen auf 
unterschiedlichste Art und Weise. Als Vorwand galt der Nazismus, denn es musste 
einen Grund für die Gewalt an Unschuldigen und oder deren Vertreibung geben".
 
 SPD sprach sich gegen mich aus
 
 Die Journalisten fragten Frau Steinbach ob es ihr nicht wehtue, dass sie nun 
nicht im Präsidium des geplanten Vertriebenenzentrums in Berlin sitze: "Nein, 
mir kam es vor allen Dingen darauf an, dass diese Gedenkstätte entsteht, wofür 
ich so lange gekämpft hatte. Es war vor allen Dingen die SPD, welche sich gegen 
meine Präsenz vor Ort ausgesprochen hatten, sie drohten das Projekt zu 
blockieren und ich wollte kein Stein im Wege sein. Deshalb schlug ich dem 
Verband den Verzicht auf meine Kandidatur vor. Mein angedachter Platz wird aber 
demonstrativ leer bleiben als Symbol für "die Freiheit der Wahl". Wie lange 
dieser Platz leer bleiben wird hängt von einer Mehrheit in der neu gewählten 
Regierung im September ab. Auf der anderen Seite muss ich aber auch akzeptieren, 
dass unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel will, dass der Vertriebenenverband in 
Ruhe seine Rechte durchsetzt. Egal wie es aber kommt, wir haben zwei unserer 
Leute im Präsidium des Vertriebenenzentrums denen ich voll Vertraue und darüber 
hinaus werde ich die Entwicklung genau beobachten.
 
 Leid unschuldiger Deutscher zentrales Thema
 
 Die Vertriebenchefin liess auch keinen Zweifel darüber aufkommen, dass das 
Schicksal vertriebener Deutscher das Zentralthema des Vertriebenenzentrums sein 
wird, man aber gelegentlich wie z.B. in Sonderausstellungen auch über ähnliche 
Schicksale anderer Nationen berichten werde: " Die Vertreibungen beschäftigen 
oder beschäftigten jede dritte deutsche Familie. Es ist ein wesentlicher 
Bestandteil der deutschen Geschichte, der unerlässlich für unsere 
Kulturidentität ist. Dies ist ein auf lange Jahre in Deutschland verdrängter 
Prozeß auf der Suche nach unserer Identität. Vertriebene sind nach 
internationalem Recht auch alle Menschen, die zum Schutze ihres Lebens fliehen 
und keine Möglichkeiten der Rückkehr haben, deshalb zählen natürlich nicht nur 
die von 1944 bis 1948 vertriebenen Deutschen zu Opfern solcher politischen 
Maßnahmen. Natürlich gab es auch unter den Vertriebenen aus den deutschen 
Ostgebieten Nazi- Verbrecher, genauso wie man solche auch in Köln, Hamburg und 
Berlin fand. Viele wurden bereits durch die Alliierten gefasst und abgeurteilt, 
andere landeten später vor Gericht. Wozu dann noch auch die Bestrafung 
Unschuldiger?"
 
 Ungeliebte Interviews mit polnischen Medien
 
 Die Vertriebenenchefin hatte sich vier Wochen Zeit gelassen um sich erneut einem 
Interview mit einer polnischen Tageszeitung zu stellen. Denn die Hetze der 
letzten Monate gegen ihre Person, hauptsächlich in polnischen Medien mit 
deutschen Eigentümern, war heftig und beleidigend. Ihr war aber wohl bekannt, 
dass die "Gazeta Wyborcza" einen ehrlichen und liberalen Journalismus betreibt 
und frei von Vorurteilen gegenüber Deutschen ist, welche ebenso unter dem 
Nationalsozialismus zu leiden hatten, oder dessen Folgen zu tragen haben. So 
entschied sie sich dann doch zu diesem Interview. Zur Beteiligung Polens an der 
Festsetzung administrativer Grenzen des Landes sagte sie, dass sie eine Solche 
nicht sehe, da diese damals noch vorübergehende Grenze ein Ergebnis von 
Vereinbarungen der Alliierten war, welches in erster Linie von Stalin im Sinne 
seiner politischen Pläne forciert wurde, wobei Polen kein Mitspracherecht gehabt 
habe.
 
 Über Vermögensansprüche Vertriebener
 
 Gazeta Wyborcza: Ist es so, dass der Bund der Vertriebenen sich von den 
Entschädigungsforderungen und Ansprüchen an Adressen in Polen distanziert? "Ich 
kann mich nicht als Vertreterin des BdV von derartigen Forderungen distanzieren, 
weil diese Sachen von Privatleuten sind. Dies alleine verbietet schon unsere 
Satzung. Dieses Problem kann einzig und allein die deutsche Regierung und Polen 
lösen. Und es ist mir gleichgültig, wer am Ende diese Lösung findet. Es kommt 
mir aber sehr darauf an, diesen Zankapfel so schnell wie möglich zu beseitigen, 
denn dies ist wirklich ein Thema, was in Polen zu viel Abneigungen und den 
Ängsten führt. Ich muss hierzu auch immer wieder betonen, dass die Zurückweisung 
der Ansprüche durch den Menschenrechts-Gerichtshof in Straßburg keine Lösung 
war. Es ist gar sträflich, dass man diese Probleme nicht schon damals löste. Für 
unseren Verband ist dies überhaupt nur ein Randthema. Weitaus wichtiger ist die 
Erzählung unserer Schicksale und die Erhaltung des reichen Kulturerbes in 
unseren damaligen Ostgebieten. Gerhard Hauptmann und mein Lieblingsdichter 
Joseph von Eichendorff waren Schlesier. Unsere großen Philosophen Kant, Herder 
und Schopenhauer stammten aus Ostpreußen und Danzig. Mit dem unerlässlichen Erbe 
unserer Identität verbinden sich keine Gebietsansprüche" antwortete hierzu Frau 
Steinbach.
 
 Politiker füttern die Presse zu Wahlzeiten
 
 Gazeta Wyborcza fragte die Vertriebenchefin, ob sie denn auch die Furcht der 
Polen verstehe, dass es am Ende im Effekt aller ihrer Handlungen im 
Sammelbewusstsein der Deutschen über den zweiten Weltkrieg nur die Vertreibungen 
und der Holocaust im Gedächtnis zurückbleiben könnten. Erika Steinbach: 
"Natürlich kann ich sehr gut verstehen was manche Menschen in dieser Hinsicht 
bedrückt, doch für solche Ängste gibt es trotzdem keinerlei Anlaß. Die polnische 
Presse lässt sich manchmal gerne von Politikern füttern, deren Parteien gerade 
einmal wieder bei irgendwelchen Wahlen antreten müssen. Dies musste gerade ich 
in der Vergangenheit leider öfters spüren und dies völlig zu Unrecht. Im meinem 
Inneren bin ich fest davon überzeugt, dass sich aber solche Dinge alsbald von 
alleine erledigen. In den ehemals deutschen Gebieten im heutigen Polen fallen 
solche radikalen Ansichten auch kaum noch auf dankbarem Boden. Dort wo sich 
Deutsche und Polen treffen, gelingt es nicht mehr irgendwelche Ängste mit 
unsinnigen Beweisgründen zu wecken.
 
 Es geht um Menschenrechte
 
 "Es geht mir und uns hier nur um Menschenrechte, angepasst dem internationalen 
Recht. Dort finden wir keine Rechtfertigung einer Kollektivschuld, ebensowenig 
die Anwendungen von genauso Sammelstrafen. Außerdem werden Kriege gewöhnlich 
nicht durch ein Volk ausgerufen, sondern durch die jeweiligen Regierungen. Als 
Adolf Hitler an die Macht kam war meine Mutter gerade mal 11 Jahre alt. Bestimmt 
hat sie diesen Verbrecher nicht gewählt. Mein Vater war 17 Jahre und durfte noch 
garnicht wählen. Trotzdem aber musste er seine ganze Jugend im Krieg verbringen. 
Aus der russischen Gefangenschaft kam er erst im Alter von 33 Jahre zurück. Er 
war nicht an der Schaffung dieses Regimes beteiligt, sondern musste es 
überstehen. Jeder hat nur ein Recht auf Bestrafung für seine eigenen Verbrechen 
oder Vergehen. Nichtsdestotrotz sind alleine die Deutschen verantwortlich für 
den Nationalsozialismus und niemand anders.
 
 Wir haben uns in Bartoszewski getäuscht
 
 "Viele Polen wissen auch nicht, dass sich der Bund der Vertriebenen auch um die 
deutsch-polnische Verständigung bemüht. Prof. Bartoszewski hatte ich in diesem 
Zusammenhang sehr lange bewundert. Er hat sich ungeheuer verdient gemacht im 
Aufbau eines deutsch-polnischen Dialoges. Mit umsomehr Recht fühle ich die 
Tragik um das was in den letzten Monaten aus seiner Richtung kam. Sogar seine 
besten Freunde in Deutschland, welche auch meine Freunde sind, können nicht 
diesen begreifen. Ich möchte mich aber nicht ausführlicher zu diesem Thema 
äußern" - antwortete Frau Steinbach zu der Frage, warum sie im letzten Monat in 
einer Fernsehsendung den Deutschlandbeauftragten der polnischen Regierung 
Bartoszewski als einen Mann bezeichnete, der einen Psychoanalytiker brauchen 
würde.
 
 Polnische Grenze bis nach Berlin
 
 Gazeta Wyborcza: "In einem Interview mit dem "Spiegel" haben Sie gesagt, dass es 
damals sehr starke Erscheinungen eines polnischen Dranges nach Westen gab und es 
hierzu sogar u. a. Beweise in Form von Postkarten gab, auf welche die Westgrenze 
Polens bis Berlin reichte?" Steinbach: " Ja, das stimmt. Solche Karten wurden 
sogar von einer polnischen Staatseinrichtung versandt. Es gab auch Äusserungen 
wie, dass "das fremde Element" in Polen auf unter einem Prozent reduziert werden 
muss. Hierbei ging es aber nicht nur um Deutsche, sondern auch um Ukrainer und 
Weißrussen. Das waren nationalistische Ansichten. Ohne Hitler wäre es sicher 
nicht gelungen diese auf so dramatische Art und Weise durchzusetzen wie es 
derzeit geschah". Hitler wählten weit weniger als 50% der Wahlberechtigten 
Deutschen. Er war der Aggressor der das Nazi-Regime geschaffen hat. Aggressoren 
waren aber keine Frauen und Kleinkinder.
 
 Steinbach spricht Polen Mut und Anerkennung aus
 
 Das Interview mit der BdV Chefin Erika Steinbach und den Gazeta Wyborcza 
Beauftragten Brygida Helbig-Mischewski und Magda Parys-Liskowski wurde von "Polskaweb" 
nicht in voller Länge, sondern nur auszugsweise übersetzt. Es lohnt sich aber 
aber aus unserer Sicht auch den vollen Artikel und die hierzu abgegebenen 
Kommentare zu lesen. Frau Steinbach hat hier in vielen Bereichen des Interviews 
sich nicht nur für eine umfassende Versöhnung mit Polen ausgesprochen, sondern 
auch dem polnischen Volk Mut und Anerkennung ausgesprochen. Sie hat aber auch 
ohne Rücksicht auf weitere Attacken aus der rechten Ecke Polens, vollumfänglich 
zu ihren bekannten Vorwürfen gestanden und sich nach unserer Ansicht sogar noch 
etwas weiter aus dem Fenster gelehnt. Den nächsten Angriffen wird sie 
wahrscheinlich aber erst nach den Sommerferien ausgesetzt, wenn die 
Bundestagswahlen in Deutschland vor der Tür stehen.
 
 
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