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Der Innenraum der Salzburger Kirche im ostpreußischen Gumbinnen (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
Der Innenraum der Salzburger Kirche im ostpreußischen Gumbinnen (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
 
 

Protestanten in Nord-Ostpreußen
Bloß nicht auffallen
Von Gesine Dornblüth

Audio-Datei starten: Protestanten in Nord-Ostpreußen. Bloß nicht auffallen.

Die evangelisch-lutherische Kirche hat in Russland keinen leichten Stand, denn die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet die übrigen Konfessionen mit Argusaugen, und auch die Behörden erschweren die Gemeindearbeit.

Licht fällt durch die bunten Fenster ins Kirchenschiff. Der Saal der Salzburger Kirche in Gumbinnen (Gussew) ist schlicht. Wände und Empore glänzen in hellen Farben, der Boden ist gewischt, auf dem Altar stehen frische Schnittblumen. Bei der Rückgabe vom Staat in den 1990er Jahren war das Gebäude stark beschädigt, erzählt Jelena Kurmyschowa, Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche in Russland.

"Der Turm war weg, im Krieg zerstört. Einige Fenster waren zugemauert. Straßenbauer hatten die Kirche als Schuppen benutzt. Es ist ein Wunder, dass wir die Kirche zurückbekommen haben. Vielleicht lag es an der Zeit, damals war so etwas leichter. Oder es lag an unseren Freunden in Deutschland, die darum gebeten haben. Es kommt ja vor: Wer bittet, dem wird gegeben."

Heute sind die Zeiten schwerer, Kontakte zu deutschen Organisationen heikel. Russische NGOs, die Geld aus dem Ausland beziehen, laufen Gefahr, als ausländische Agenten eingestuft zu werden. Und die Rückgabe der Kirchen stockt.

Die Gemeinde schrumpft

Immerhin bekamen die Lutheraner in Russland im vergangenen Jahr ihre Hauptkirche zurück, die Peter-und-Paul-Kathedrale in Moskau. Doch vor allem im ehemaligen Ostpreußen wurden viele Kirchen entweder dem Verfall überlassen, oder sie wurden der Russisch-Orthodoxen Kirche überschrieben.

Die evangelischen Gemeinden im Kaliningrader Gebiet [Nord-Ostpreußen] wären aber auch viel zu klein, um die vielen alten Kirchen wieder aufzubauen und zu füllen. Sie erlebten zwar in den 90er Jahren einen Aufschwung. Damals siedelten Deutschstämmige aus Sibirien und aus Zentralasien in das Kaliningrader Gebiet um und belebten die evangelischen und reformierten Gemeinden. Mittlerweile sind die meisten von ihnen aber nach Deutschland weitergereist.

Jelena Kurmyschowa, Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche im im ostpreußischen Gumbinnen (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)

Jelena Kurmyschowa, Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche im im ostpreußischen Gumbinnen
(Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)

Auch Jelena Kurmyschowas Gemeinde schrumpft beständig. Zuletzt ist die Organistin der Salzburger Kirche gegangen:

"Jetzt will eine andere Frau aus der Stadt bei uns Orgel spielen. Aber sie ist kein Gemeindemitglied. Auch unsere Violinistin ist weg, sie war eine gläubige Frau, sie hat Konzerte gegeben."

Geblieben sind vor allem ethnische Russen.

"Ich möchte, dass die Kirche breitere Massen erreicht"

Jelena Kurmyschowa betritt das Gemeindezentrum. Es liegt im Erdgeschoss eines Wohnhauses, gleich gegenüber der Kirche. Drei Frauen sitzen beisammen, trinken Tee. Einmal in der Woche treffen sie sich zur Bibelstunde. Und sie besprechen, wie sie der Gemeinde finanziell helfen können. Die Frauen nähen und bemalen Stofftaschen. Im Sommer geben sie sie gegen Spenden an deutsche Touristen ab. Galina Magaldadze leitet den Frauenkreis:

"Ich wohne nebenan. Schon meine Mutter ging in diese Kirche. Sie war natürlich russisch-orthodox und hätte in eine gewöhnliche russische Kirche gehen sollen. Aber sie hatte kranke Beine. In der russische Kirche steht man während des gesamten Gottesdienstes. Hier konnte sie sitzen, das hat ihr gefallen. Ich bin mitgekommen und geblieben."

Die russisch-orthodoxe Kirche geht wie selbstverständlich davon aus, dass Russen orthodox sind. Die Pastorin Kurmyschowa sieht das anders. Sie ist selbst Russin, aufgewachsen in St. Petersburg:

"Ich möchte, dass die Kirche breitere Massen erreicht. Und dass Bürger Russlands in diese Kirche kommen und die Plätze derer einnehmen, die in ihre historische Heimat übergesiedelt sind. Das muss unser Ziel sein. Die Kirche darf sich nicht auf einzelne Nationalitäten beschränken."

"Wir sind vorsichtig geworden"

Solche Aussagen sind heikel. Missionstätigkeit außerhalb von Kirchengebäuden ist in Russland verboten. Ein entsprechendes Gesetz trat vor zwei Jahren in Kraft, als Teil weit gefasster Anti-Extremismus-Gesetze. Selbst in privaten Haushalten ist Glaubensvermittlung seither untersagt.

Die strikten Regelungen treffen bisher vor allem Zeugen Jehovas. Sie sind in Russland seit einem Jahr als "extremistische Vereinigung" verboten. Mindestens 17 Anhänger der Glaubensgruppe sind derzeit in Untersuchungshaft, darunter der Däne Dennis Christensen. Ihm drohen zehn Jahre Haft, weil er an einer Versammlung der Zeugen Jehovas teilnahm.

Auch wenn offiziell registrierte evangelische Gemeinden bisher nicht betroffen sind, verfolgt Jelena Kurmyschowa diese Entwicklungen mit Sorge:

"Wir haben bisher keine Probleme. Aber wir korrigieren unser Verhalten. Wir sind vorsichtig geworden. Insbesondere bei allem, was mit Missionierung zu tun hat. Als wir zum Beispiel 500 Jahre Reformation gefeiert haben, wollten wir eine kleine Prozession machen, nur vom Gemeindezentrum hinüber zur Kirche. Aber auch da hatten wir Angst, irgendjemand könnte meinen, dass wir ihn missionieren wollen. Wir haben dann darauf verzichtet."
 

Quelle:
DLF - Tag für Tag - 30.07.2018 (Artikel mit redaktionellen Änderungen) 
www.deutschlandfunk.de/protestanten-in-russland-bloss-nicht-auffallen.886.de.html?dram:article...

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