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Hermann Sudermann


Gedenkschrift - 70 Jahre LO-NRW

70 Jahre LO Landesgr. NRW
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Begründer zeitgemäßen Soldatentums
Auch 200 Jahre nach seinem Tod hat Gerhard von Scharnhorst seinen Stellenwert nicht verloren.
von Jan Heitmann

Gerhard von Scharnhorst gehört zweifellos zu den bedeutendsten Militärtheoretikern. Ungeachtet aller politischen Brüche haben sich deutsche Streitkräfte in allen wehrgeschichtlichen Epochen und unter zum Teil gegenläufigen politischen Vorzeichen unter Berufung auf seine Thesen zu legitimieren versucht. Der Protagonist des Befreiungskampfes gegen die napoleonische Herrschaft hat seinen Stellenwert für die deutsche Wehrprogrammatik bis heute nicht verloren.

Scharnhorst, im Urteil seines Biografen Klaus Hornung „die vielleicht nobelste Verkörperung deutschen Soldatentums“, wurde 1755 in Bordenau geboren. Nach dem Besuch der Kriegsschule trat er 1778 zunächst in das hannoversche Heer ein und wechselte 1801 in preußische Dienste. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere kriegsgeschichtliche Abhandlungen und Lehrschriften verfasst. Zum Direktor des Kriegsdepartements und Vorsitzenden der Militärorganisationskommission berufen, wurde unter seiner Leitung die Heeresreform erarbeitet, die das Adelsprivileg beseitigte, die ausländische Werbung abschaffte, das Krümpersystem konstituierte und schließlich die allgemeine Wehrpflicht herbeiführte. 1808 wurde er Leiter des neu geschaffenen Kriegsministeriums. Am 26. Juni 1813 erlag er als Generalstabschef Blüchers in Prag einer auf dem Schlachtfeld erlittenen schweren Verwundung.

Obwohl Scharnhorst sich stets als Soldat fühlte und es bedauerte, sich nicht durch ein herausragendes Kommando bewähren zu können, ist er bis heute mehr als militärpolitischer Akteur denn als Heerführer in Erinnerung geblieben, der nicht „durch die bloße Macht“, sondern „durch die Tat seiner großen Gedanken“ gewirkt hatte. Durch seinen frühen Tod ist Scharnhorst stets „der Mann von 1813“ geblieben, da er sich nicht mehr auf einen der nach den Befreiungskriegen möglichen politischen Wege hat festlegen oder seine Reformen gegen Kritiker hat verteidigen müssen. Die frühe Beschäftigung mit Scharnhorst war noch überwiegend von der Anerkennung seiner Verdienste als Teil nationaler Selbstbehauptung im europäischen Freiheitskampf gekennzeichnet, indem seine Fähigkeit, aus der Niederlage heraus zu neuen Ufern zu gelangen, dem tradierten Denken starrgelehrter Kriegsspielstrategen entgegengesetzt wurde. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde Scharnhorsts reformatorische Leistung auf sein Bemühen reduziert, alle wehrfähigen Männer zur Verteidigung des Landes einzuberufen und sie, entkleidet von allem als überflüssig empfundenen militärischen Gepränge, für diesen Verteidigungsauftrag auszubilden. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges wurde die Berufung auf das Erbe Scharnhorsts im ganzen Reich durch Straßennamen, Benennungen militärischer Einrichtungen, von Kriegsschiffen, Industrieanlagen und ganzen Stadtvierteln deutlich gemacht.

Nach dem militärischen Untergang des Kaiserreichs und dem Ende der Monarchie, das auch zum Verlust der Leitbildfunktion des Kaisers geführt hatte, verkörperte Scharnhorst für viele das preußische Wesen und diente als Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Diese Ausprägung der Scharnhorst-Rezeption änderte sich nach 1933 grundlegend. Der Militärtheoretiker wurde jetzt als „Klassiker der Kriegskunst“ verehrt und seine reformatorische Leistung in den Hintergrund gedrängt, während sein militärisches Lebenswerk besonders betont wurde. Während des Krieges dienten markige Interpretationen Scharnhorsts zur Schaffung einer Kontinuitätslinie, um damit das eigene kriegerische Handeln zu legitimieren. Wieder wurde der totale Krieg beschworen, der schon einmal „zur Vernichtung des dämonischen Gegenkaisers“ geführt habe. Als die militärische Niederlage abzusehen war, erfolgte eine Wiederentdeckung Scharnhorsts als Theoretiker des Volkskrieges. Somit kann der Deutsche Volkssturm, dessen Bildung mit dem Rückgriff auf Zitate aus den Befreiungskriegen proklamiert wurde, durchaus als späte Folge der preußischen Reformen angesehen werden.

Die Epochenwende des Jahres 1945 bedeutete in jeder Hinsicht eine tiefe Zäsur für die militärische Traditions- und Werteordnung. Das Vermächtnis Scharnhorsts indes blieb davon unberührt, denn seine Thesen erschienen weiterhin tradierenswert. In den Streitkräften eines demokratischen Staates, der sich aus den Trümmern von Diktatur und Weltkrieg erhoben hatte, sollten seine Ideen fortleben und den Soldaten Richtschnur für ihr eigenes Handeln sein. Nachdem die Wehrmacht wie auch die Reichswehr und die Streitkräfte des Kaiserreichs in den Traditionserlassen für die westdeutschen Streitkräfte als nicht mehr traditionswürdig hingestellt werden, gibt es für die Bundeswehr nur zwei Traditionslinien, die als geistige Wurzeln modernes deutsches Soldatentum legitimieren können. Neben den Akteuren des 20. Juli, die ihr als Vorbilder für ein ethisch gebundenes Soldatentum dienen, ist Scharnhorst als Leitbild für den politisch denkenden und verantwortungsbewussten Soldaten Gegenstand einer fast schon verklärend zu nennenden Verehrung. Als militärischer Bildungsreformer, der den Impetus für eine bestimmte geistige Haltung und nicht für politische Handlungsweisen gegeben hat, und als Kronzeuge dafür, dass Reformen und militärische Effizienzsteigerung sich nicht widersprechen, sondern bedingen, gilt er offiziell als integraler Bestandteil der Geisteswelt des Offizierkorps der Bundeswehr. Zugleich hat er die Wehrpflicht als die der Demokratie angemessene Wehrform und den „Bürger in Uniform“ als den zeitgemäßen Soldatentypus begründet.

Setzt man sich allerdings kritisch mit der Bundeswehr unserer Tage auseinander, kommen Zweifel auf, ob die Gedanken Scharnhorsts tatsächlich noch Wirkung in den Streitkräften entfalten. Die von ihm verfochtene Verbundenheit des Militärs mit allen Schichten des Volkes gehört längst der Vergangenheit an. Die Bundeswehr, in deren Reihen innerhalb von mehr als fünf Jahrzehnten Millionen Männer und Frauen die Freiheit ihres Vaterlandes und jedes einzelnen seiner Bürger gewährleistet haben, hat einen hohen Stellenwert, der ihr in der öffentlichen Wahrnehmung indes kaum zugebilligt wurde und wird. Vielmehr hat in Staat und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten eine kontinuierliche Abwendung vom Wehrgedanken stattgefunden. Die Bundeswehr von heute, des klassischen Auftrags der Landesverteidigung beraubt und in den entferntesten Ecken der Welt mit nicht immer für jeden nachvollziehbaren Aufgaben eingesetzt, droht, sich zu einer rein technischen Sicherheitseinrichtung zu entwickeln, deren Handeln von einem einseitigen politisch-technokratischen Effizienzdenken bestimmt wird.

Scharnhorst hatte sich auch dafür eingesetzt, die Leistungen der Väter zu achten, gleichzeitig aber die Lehren aus offensichtlichen Fehlentwicklungen zu ziehen und den Mut zu umfassenden Reformen aufzubringen. Er ließ sich von der Überzeugung leiten, dass allein die Geschichte „das Material bereithält, an dem sich der lebendige Geist bildet“. Diesen Gedanken war auch noch der Traditionserlass der Bundeswehr von 1965 gefolgt, der die „Dankbarkeit und Ehrfurcht vor den Leistungen und Leiden der Vergangenheit“ als Grundlage der Traditionspflege bezeichnete. Insofern ist es bemerkenswert, dass die offizielle Traditionslinie der Bundeswehr heute erst mit ihrer eigenen Gründung beginnt und nur die letzten 50 Friedensjahre umfasst, und das, was davor lag, mit Ausnahme Scharnhorsts und der Protagonisten des Widerstandes gegen das NS-Regime abwertet und kategorisch ausklammert. Damit passt sich die Bundeswehr in Abkehr von Scharnhorsts Postulat dem Zeitgeist an, der eine Anerkennung des von früheren Generationen Vollbrachten nicht mehr zulässt.

In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die in der DDR geübte Praxis durchaus erhellend. Gerade die DDR wies, und dies ist ein Paradoxon in der deutschen Militärgeschichte, den Weg, wie an preußisch-deutsche Militärtradition angeknüpft werden konnte, ohne eine – von den Amerikanern in Westdeutschland durchaus gewünschte – „Wehrmacht ohne Hakenkreuz“ zu etablieren. Auch die NVA bekannte sich zum scharnhorstschen Erbe. Hier genoss der aus bäuerlichen Verhältnissen stammende Gegner der Adelsherrschaft, der den Willen der sich heranbildenden Nation zur Selbstbefreiung von der französischen Fremdherrschaft artikuliert hatte, große Popularität. In der Phase des Aufbaus der Nationalen Volksarmee wurde die identitäts- und legitimationsstiftende Wirkung der Scharnhorst-Rezeption besonders ausgenutzt und die Tradition des Freiheitskampfes des deutschen Volkes beschworen. Um die Akzeptanz der neuen Streitkräfte zu steigern, entschied die DDR-Regierung, auf nationale, allgemein akzeptierte Formen, Zeremonien und Symbole zurückzugreifen. So knüpfte die NVA unbefangen an Traditionen der Wehrmacht und der Kaiserzeit an. Dadurch sollte den Soldaten eine geschichtliche Identität vermittelt und ihnen das Gefühl gegeben werden, die besten Traditionen des deutschen Volkes zu pflegen und zu schützen.

Scharnhorst hat aber auch Kritiker, die seine Traditionswürdigkeit anzweifeln. Als Militarist apostrophiert, der in Wirklichkeit nichts weiter im Schilde geführt habe, als dem kriegerischen Preußen zum Wiederaufstieg zu verhelfen, gipfelte die gegen Scharnhorst gerichtete Kritik in dem von dem unlängst verstorbenen Walter Jens erhobenen Vorwurf, nichts als ein „verdammter Stratege“ gewesen zu sein. Zwar wird ihm zugebilligt, tatsächlich die aktive Beteiligung der Bürger am Staatsleben und die Integration der Armee in die bürgerliche Gesellschaft beabsichtigt zu haben, in der Praxis aber hätten bestimmte Grundelemente seiner Heeresreform dies verhindert und die Militarisierung der Gesellschaft forciert. Diese Kritiker ignorieren jedoch, dass Preußen militärisch am Boden lag und als Nation zutiefst gedemütigt worden war. Es galt, sich gegen den Eroberer Europas zu erheben und die Gelegenheit zur Erneuerung von Staat und Armee zu nutzen. Scharnhorsts Reformen waren aber nicht gegen die Monarchie und die den Staat tragenden Schichten durchsetzbar.

Scharnhorsts populäre Symbolkraft wurde seit den Befreiungskriegen in allen Epochen der deutschen Geschichte anerkannt. Die offizielle Scharnhorst-Rezeption und die Realität klaffen dennoch immer weiter auseinander. Der preußische Reformer – demnach ein Auslaufmodell? Nein! Was immer bleiben wird, ist sein beispielgebender Mut zur Erhebung aus der Niederlage, zur kritischen Reflexion des eigenen Handelns und zur Erneuerung. Seine Lehren haben zu Recht Eingang in die Wehrprogrammatik aller Epochen nach ihm gefunden. In gewissem Sinne ist der große Soldat, Reformer und Patriot damit auch Teil der Biografie aller geworden, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten in deutschen Streitkräften Wehrdienst geleistet haben.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausgabe 25/13, 22.26.2013

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